Nicht so hyggelig – die Situation auf dem studentischen Wohnungsmarkt in Deutschland und Dänemark

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Blick auf die Stadt Aalborg

Immer mehr junge Menschen studieren – das ist kein deutscher, sondern ein europäischer Trend. Gleichzeitig ziehen immer mehr Menschen in die Städte. Die Mieten steigen und städtischer Wohnraum wird knapp. Diese Entwicklung trifft besonders Wohnungssuchende mit kleinem Budget. Dazu gehören auch sehr viele Studierende.

Ich, Laureen, absolviere gerade meinen Master in Dänemark und hatte so die Gelegenheit, studentisches Wohnen in beiden Ländern zu erfahren, denn: Meinen Bachelor habe ich in Deutschland abgeschlossen.

Dänische Kollegien – Wohnen mit Gemeinschaft

Mein „Kolleg“ (dt. Studierenden-Wohnheim) liegt im dänischen Aalborg auf einem kleinen Hügel zwischen der Universität und der Innenstadt. Die zugehörigen Gebäude wurden in den 1970er-Jahren gebaut. Mittlerweile gibt es auch ein Gemeinschaftshaus, in dem jeden Freitag die sogenannte „Fredagsbar“ (dt. Freitagsbar) stattfindet.

Die Fredagsbar ist eine feste Institution in Dänemark. Im ganzen Land treffen sich Menschen nach der überstandenen Arbeitswoche am Freitagnachmittag mit ihren Kolleg:innen oder – in diesem Fall – Kommiliton:innen zum entspannten Beieinandersitzen, gern bei einer Flasche Bier. Unsere Fredagsbar wird hier von einem kleinen Komitee verwaltet, das sich monatlich trifft. Außerdem gibt es einen Bewohnenden-Rat, der sich für die Belange aller Bewohner:innen einsetzt – eine richtige Community also.

Früher gehörten die Kollegien zu einer festen Gemeinschaft. Man musste zum Beispiel der Arbeiter:innenschaft oder dem Militär angehören, wenn man in einem der Kollegien wohnen wollte. Heute muss man nur an einer anerkannten dänischen Universität eingeschrieben sein und sich beim Kollegium bewerben. Es gibt jedoch eine Warteliste.

Eine Gasse in Aalborg
© Laureen Hanning

Freitagsbar, Bar-Komitee oder auch gemeinsame Feierlichkeiten wie „Julefrokost“ (die typisch dänische Weihnachtsfeier) – generell hat man den Eindruck, dass die Kollegien in Dänemark stark auf Gemeinschaft und Zugehörigkeit pochen. In meinem alten Studierendenwohnheim in Erfurt gab es solche Angebote nicht.

Studentisches Wohnen in Dänemark – die Lage wird angespannter

Wer nicht in einem Kollegium wohnt, der kommt in Dänemark entweder privat oder in einer Art Sozialwohnung für junge Menschen unter. Diese sind preislich deutlich günstiger als Wohnungen auf dem freien Mark, da sie staatlich unterstützt werden. Auch hier gelten das Studium und oftmals eine gewisse Standzeit auf der Warteliste als Anforderung.

Die Wohnsituation in Aalborg ist vergleichsweise gut. Mit dem dänischen Ausbildungsgeld kann man entspannt eine Bleibe finden. „In Aalborg wurden in den letzten Jahren viele Wohnungen für Studierende gebaut und es ist nicht so teuer wie anderswo“, fasst Psychologiestudentin Lærke (mein von der Universität zugewiesener „Buddy“ für die ersten Tage) die Situation zusammen. Außerdem machen die Baukräne am Aalborger Horizont zusätzlich Mut: Man baut weiter!

In den größeren dänischen Städten stehen die Studierenden beim Suchen einer Wohnung vor größeren Herausforderungen. Die für ganz Dänemark geltende sog. „Dach über dem Kopf-Garantie“ soll zumindest in der Anfangsphase helfen. In Kopenhagen mangelt es dennoch an bezahlbarem Wohnraum und es besteht insgesamt großer Bedarf an „Sozialwohnungen für junge Menschen“, so der dänische Jugendwohnungsbericht 2021. Andere Städte haben bereits Maßnahmen ergriffen, darunter auch die Studierendenstadt Aarhus: Die Kommune weist Betroffenen für maximal 3 Monate eine Übergangslösung zu.

Studierendenwohnheime in Deutschland decken nur einen kleinen Teil des Wohnbedarfs

So etwas wie die deutschen Studierendenwerke gibt es in Dänemark nicht. Studierendenwerke in Deutschland finanzieren sich aus staatlichen Zuschüssen, studentischen Beiträgen (Semesterbeitrag) und sonstigen Einnahmen (z. B. Mensa). Außerdem sind sie unabhängig von den Hochschulen.

Alle 57 Studierendenwerke sind im „Deutschen Studierendenwerk“ vereinigt. Eine ihrer zentralen Aufgabe ist das Feld Wohnen und die Betreuung der Studierendenwohnheime – immerhin etwa 196.000 in ganz Deutschland. Damit stellen die Wohnheime eine Alternative zu Privatwohnungen bzw. zum Wohnen in WGs dar – zumindest theoretisch. Tatsächlich wohnen bundesweit nur 9,5% der Studierenden in Wohnheimen. In Städten wie München oder Berlin ist die Quote sogar noch geringer und das bei steigenden Kosten.

Der Bedarf ist nicht gedeckt: Immer mehr junge Menschen verlassen ihr Elternhaus zum Studieren; 38% wechseln sogar das Bundesland. Laut einer Sozialerhebung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung haben über die Hälfte der Studierenden Probleme, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das forciert soziale Ungleichheit!

Was tut Deutschland?

Eine „Dach-über-dem-Kopf-Garantie“ ist in Deutschland anders als in Dänemark kein gängiges Werkzeug. In Erfurt organisiert der Studierenden-Rat halbjährlich eine „Couchbörse“. Hier werden neuen Studierenden ohne Wohnplatz „Couches“ in anderen Wohnungen vermittelt, auf denen sie erstmal schlafen können. Die studentischen Initiativen suchen also selbst nach Akut-Lösungen für das Problem.

Und auf Bundesebene? Da startete im Herbst 2023 das Projekt „Junges Wohnen“. Den Bundesländern werden 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit sollen Wohnheimplätze ausgebaut, erneuert und neu errichtet werden. Ein Plan eher für die Zukunft, denn damit entsteht bezahlbarer Wohnraum nicht bereits morgen oder übermorgen. Akut unterstützt die Bundesregierung junge Menschen finanziell für den kompetitiven Wohnungsmarkt. Mit der aktuellen Bafög-Reform wurden Höchstbetrag und Wohnbedarfszuschlag erhöht. Das dürfte zumindest einigen Studierenden helfen.

„Junges Wohnen“ ist und bleibt trotz aller Akut-Lösungen und Projektplanungen eine Frage der sozialen Ungleichheit und damit ein dringendes Thema: sowohl in Deutschland als auch in Dänemark!

Quellen:

BMWSB, Meldung „Junges Wohnen“: https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/BMWSB/DE/2023/04/junges-wohnen.html (letzter Aufruf: 28.11.23)

Deutsches Studierendenwerk, Übersicht Wohnen: https://www.studierendenwerke.de/themen/wohnen (letzter Aufruf: 28.11.23)

BMBF: Die Studierendenbefragung in Deutschland. 22. Sozialerhebung. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021. https://www.studierendenwerke.de/fileadmin/user_upload/22._Soz_Exec_Summary_DE_barrierefrei.pdf (letzter Aufruf: 28.11.23)

MLP Studentenwohnreport 2022: https://mlp-se.de/redaktion/mlp-se-de/studentenwohnreport-microsite/2022/report/mlp-studentenwohnreport-2022.pdf (letzter Aufruf: 28.11.23)

Odense Kommune, Absolute Assurance for Accommodation: https://english.odense.dk/studying/absolute-assurance-for-accommodation (letzter Aufruf: 28.11.23)

24 Jahre alt, Studentin

Moin, ich bin Laureen. Politik & Medien – so würde ich meine Interessen in 2 Wörtern beschreiben. Dafür habe ich die Provinz Ostwestfalen-Lippe verlassen und bin zum Studium erst nach Erfurt gezogen und für meinen Master nun nach Aalborg. Wie können wir Medien nutzen, um Politik & Gesellschaft demokratischer und partizipativer zu machen? Das möchte ich wissen!

Laureen Hannig / Gastautorin

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