Unser Schulsystem bröckelt

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Verzweifelter junger Mann im Klassenzimmer

Ein Schulsystem aus dem 19. Jahrhundert, Lehrkräfte aus dem 20. und Schüler:innen aus dem 21. – die aktuelle Lage in Deutschland. Viele kritisieren unser derzeitiges System und ich finde: zurecht. Es ist veraltet und alles andere als zeitgemäß. Doch was müsste sich ändern, damit sich dieses System unseren aktuellen Lebensumständen anpasst? Wir haben recherchiert und mit dem Lehrer und Bildungsinfluencer Bob Blume gesprochen.

Was ist die aktuelle Situation?

Die Zeiten ändern sich. Durch Einflüsse wie Digitalisierung und mehr Wunsch zur Mitbestimmung der Gesellschaft muss sich unser Umfeld anpassen oder es bleibt stecken und geht unter. Gerade in der Arbeitswelt sehen wir, wie sich Firmen immer modernere Konzepte des Arbeitens und sozialen Miteinanders ausdenken müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und die Bildung? Hier gibt es wenig Druck für strukturelle Anpassungen. Da das Bildungssystem staatlich geregelt ist, wird es von der Politik „geschützt“. Außerdem herrscht in Deutschland die Schulpflicht. Egal in welchem miserablen Zustand sich die Schulen also befinden und ob der Stundenplan noch zeitgemäß sind: Alle Kinder ab 6 Jahren müssen eingeschult werden. Aber die reale Unzufriedenheit bleibt: Schüler:innen und Lehrkräfte fordern seit angem Veränderungen.

Was sind die Probleme?

Die größten Probleme: Es fehlen so viele Lehrkräfte wie noch nie. Schulen haben zu wenig Ausstattung und die Klassen sind viel zu überfüllt. Hinzu kommt, dass Schüler:innen immer schlechter in ihren Leistungen abschneiden. Die PISA-Studie ist der weltweit wichtigste Vergleichstest, in dem die Leistungen von 15-jährigen Jugendlichen in den Kompetenzen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften verglichen werden. Sie wird seit dem Jahr 2000 alle 3 Jahre durchgeführt. Die aktuellen PISA-Ergebnisse sind erschreckend. Sie sind die schlechtesten Ergebnisse für Deutschland seit Beginn der Umfrage.

Das aktuelle deutsche Schulbarometer, welches im Auftrag der Robert Bosch Stiftung Lehrkräfte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen zur aktuellen Situation befragte, sieht aktuell drei Herausforderungen: Fachkräftemangel, Lernrückstände und Aufnahmekapazitäten. Es gehen immer mehr Lehrer:innen in Rente und es kommen nur wenige nach. Einer Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland zufolge, blieben im Jahr 2023 etwa 12.000 Stellen unbesetzt. Dieser Mangel ist kaum auszugleichen, was enorme Mehrbelastungen für bestehende Lehrer:innen, Schüler:innen und am Ende auch Eltern darstellt.

Woher kommt der Lehrkräftemangel? Das hat verschiedene Gründe:

  • Viele aktive Lehrkräfte gehen in den Ruhestand. Es kommen jedoch wenig Neue nach, die die Stellen besetzen können.
  • Zeitgleich steigt die Zahl an Schüler:innen; es werden also noch mehr Lehrkräfte gebraucht als zuvor.
  • Die Arbeitsbedingungen in Grund- und Oberschulen sind nicht mehr zeitgemäß, wodurch die Attraktivität des Berufes zunehmend sinkt. Lehrkräfte gehen zu anderen Angeboten, wie zum Beispiel in die Erwachsenenbildung, in Verlagen und in andere pädagogische Berufe, die modernere Arbeitsbedingungen haben.
  • Lehrer:innen erhalten oft wenig Anerkennung und die Vergütung ist im Vergleich zu anderen akademischen Berufen gering. Dadurch entscheiden sich viele Menschen für andere Berufe.

Die Zukunft sieht schlecht aus

Jahr für Jahr verschärft sich das Problem: Mehr Schüler:innen, weniger Lehrkräfte. Nach Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) wird die Anzahl an Schüler:innen bis 2035 um eine halbe Million steigen. So geht die KMK davon aus, dass bis 2030 rund 55.000 zusätzliche Lehrkräfte fehlen werden.

Nicht nur Personal ist das Problem

Auch die Motivation von Schüler:innen sinkt stetig. Der Bildungsinfluencer Bob Blume, bekannt als Netzlehrer, ist Autor, Podcaster und selbst Lehrer an einem deutschen Gymnasium in Baden-Württemberg. Er beschäftigt sich online viel mit den Dingen, die aus seiner Perspektive an Schulen falsch laufen und stellt sich die Frage, wie das deutsche Bildungssystem möglichst hilfreich für alle Schüler:innen sein kann – aber auch die Lehrkräfte mitdenkt.

Unter anderem ist Blume der Meinung, dass Noten in der Schule abgeschafft werden müssen, was aber für ihn nicht heißt, dass auch die Idee von Leistung abgeschafft werden soll.

Fakt ist: Schulen, die immer wieder für den deutschen Schulpreis von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung ausgezeichnet werden, zeigen, dass Lernen ohne Noten nicht nur möglich ist, sondern dass dadurch auch das erfolgreiche Lernen bei Schüler:innen gefördert wird. Die Anne-Frank-Schule Bargteheide nutzt beispielsweise als Beurteilungssystem Portfolioarbeiten und Lernentwicklungsgespräche.

Bildungs- und Chancengleichheit ist ein Mythos

Vor allem ist unser Bildungssystem aber auch sozial ungerecht. Eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo macht deutlich: Wenn kein Elternteil Abitur hat, besuchen demnach nur 28,2 Prozent der Kinder ein Gymnasium. Hat ein Elternteil Abitur, steigt dieser Anteil schon auf 57,9 Prozent; sind es beide Elternteile, liegt der Wert bei 75,3 Prozent. Ein Kind mit Professoreneltern hat also dreimal so große Chancen wie ein Facharbeiterkind eine Empfehlung für das Gymnasium zu bekommen. Und das bei gleicher Kompetenz. Der Bildungsinfluencer sagt dazu: „Das Schulsystem funktioniert nur für diejenigen mit den besten Voraussetzungen“ und bestätigt damit die Ungerechtigkeit in unserem Bildungssystem.

Wir haben auf Instagram nach euren Kritikpunkten gefragt. Demnach haben Schulen einen zu hohen Leistungsdruck, keine individuelle Förderung und ihr das Gefühl, nur für Noten zu lernen. Auch wurde von euch kritisiert, dass Bildung in Deutschland nicht einheitlich ist.

Ich studiere derzeit selber Lehramt und hab eine klare Meinung:

„Das Schulsystem ist nicht mehr zeitgemäß und muss dringend überarbeitet werden. Noten verursachen bei Schüler:innen Stress, Ängste und teilweise Depressionen, wenn sie veralteten Stoff für die nächste Klausur auswendig lernen müssen. Das hat unsere Zukunft im 21. Jahrhundert nicht verdient.“

In Schulen sitzt unsere Zukunft. Es ist dringend an der Zeit, Schulen attraktiver und zu tatsächlichen Lernorten werden zu lassen, sowohl für die Lernenden als auch für Lehrkräfte. Dankeschön.

Euer Marwin

Quellen:

https://www.rnd.de/politik/die-zehn-grossten-fehler-in-deutschlands-bildungssystem-3ZBSSKGJ3BC4PKRFFHEHY4JPFE.html (Abgerufen am 18.03.2024)

https://www.tagesschau.de/wissen/forschung/schulbarometer-personalmangel-lernrueckstand-101.html (Abgerufen am 18.03.2024)

https://karlhosang.de/deutsches-schulsystem-kritik/ (Abgerufen am 18.03.2024)

https://www.tagesspiegel.de/politik/chancenmonitor-2023-so-ungerecht-ist-deutschlands-bildungswesen-9674129.html (Abgerufen am 18.03.2024)

21 Jahre alt, Student

Heyyo, ich bin Marwin und komme aus Berlin. Zurzeit bin ich Lehramtsstudent. Die Digitalisierung der Schulen ist für mich ein spannendes Thema, bei dem ich großen Handlungsbedarf sehe. Aber auch die Mitbestimmung von Jugendlichen liegt mir sehr am Herzen. Jugendliche sollten bei viel mehr mitentscheiden dürfen, gerade wenn es um sie geht! Aber auch viele andere Themen, wie zum Beispiel „Wählen ab 16“, sind mir wichtig (:

Marwin

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